Basale Stimulation
Mit der Basalen Stimulation erreichen wir Menschen, deren Bewegungsfähigkeit, Wahrnehmung und Kommunikation beeinträchtigt sind. Basale Stimulation regt Menschen mit Demenz dazu an, den eigenen Körper und die Aussenwelt wahrzunehmen.
Basale Stimulation (basal = voraussetzungslos, stimulatio = Anreiz, Anregung) in der Pflege ist der wissenschaftliche Begriff, den der Heilpädagoge Andreas Fröhlich Mitte der Siebziger des vorigen Jahrhunderts zur Förderung stark körperlich und geistig behinderter Jugendlicher entwickelt hat. Die Pflegewissenschaftlerin Christel Bienstein übertrug sie Mitte der Achtziger auf die Pflege – zuerst in der Intensivpflege, später in allen Bereichen.
Wie Basale Stimulation den Menschen erreicht
Basale Stimulation ist eine der Möglichkeiten, an schwerer Demenz erkrankte Menschen zu erreichen und in eine Welt zu führen, die ihnen nicht mehr fremd ist. Sie spricht die Wahrnehmung an, alle fünf Sinne. Denn nicht nur der Verstand speichert Erlebtes und Erinnerungen, auch der Körper. Betrachtet man die Entwicklung des Menschen im Mutterleib, so sind wir zuerst Körper, noch bevor sich die neuronalen Vernetzungen unseres Gehirns ausbilden. Andreas Fröhlich sagt:
«Wir sind der Überzeugung, dass alle unsere Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens machen, nicht nur unter kognitivem Aspekt, das heisst in einer bewussten Erinnerung, sondern in einer umfassenderen, eher ganzheitlichen, den Körper selbst einbeziehenden Erinnerung vorhanden sind.
Die Summe aller sensorischen Erfahrungen, aller kommunikativen Erlebnisse, die Erfahrungen mit dem eigenen Körper, aber auch mit anderen Menschen, haben uns zu dem gemacht, was wir jeweils jetzt sind.»
Wie sich Identität über die Sinnlichkeit entwickelt
Das bedeutet, unsere unverwechselbare Identität entwickelt sich einhergehend mit sinnlichen Erfahrungen: Der Duft von blühenden Obstbäumen, frischem Gras und das Zwitschern der Vögel. Wärmende Sonnenstrahlen, kalter Herbstwind. Licht und Schatten, Nässe und Trockenheit, Freude und Trauer, Hunger und Sättigung, Nähe und Distanz, Getrennt- und Verbunden-Sein, Aktivität und Ruhe, ja sogar mit Honigbrot verschmierte und anschliessend gesäuberte Hände.
Demenzkranke finden allein oft keinen bewussten Zugang zu diesen Erinnerungen. Ihr Handeln ist eher eine Reaktion auf die Wahrnehmung von vegetativen Funktionen wie Hunger oder Schmerzen, die sie aber weder einordnen noch mitteilen können. Sie können oft nicht mehr reden, sehen oder hören, sich nicht mehr bewegen und brauchen Angehörige oder Pflegende, die ihre Bedürfnisse lesen. Im Gesicht, in der Mimik, Sitzposition oder Körperhaltung, im Klang der Stimme.
Genaues Hinschauen gibt Hinweise darauf, was dem Menschen helfen könnte, sich selbst wahrzunehmen und besser mit seiner Umwelt in Beziehung zu treten.
Wie Basale Stimulation bei Menschen mit Demenz funktioniert
Oft zeigen einfache Dinge Wirkung. Und doch erfordern sie Sensibilität und Beobachtungsgabe. Berührungen sind wichtig für gesunde Menschen wie für kranke – und noch mehr, wenn man über Worte und Gesten nur noch schwer erreichbar ist:
- Den Körper eines betroffenen Menschen auf besondere Weise ausstreichen, um ihn spüren zu lassen, wo der Körper anfängt und wo er aufhört. Mit fliessenden Bewegungen, ohne abzusetzen.
- Ihn sanft wiegen und bewegen, wenn er nicht mehr aufstehen kann oder Probleme mit dem Bewegungsablauf hat.
- Streicheln oder mit einer Feder berühren. Hände auf ein Fell legen oder in Wasser tauchen.
- Der Appetit spielt eine Rolle. Mund, Lippen und Zunge können gustatorisch mit einer Süssspeise stimuliert werden, mit Salzigem, Kaffee, Tee oder Likör – was der Betroffene mag.
- Gerüche von Frühlingsblumen oder angebratenen Zwiebeln können Erinnerungen wecken.
- Vielleicht stimulieren auch Geräusche wie Vogelstimmen, klassische Musik, Jazz oder Wellnessmusik.
- Wenn an Demenz erkrankte Menschen ihre Partner nicht mehr erkennen, kann eine neue Nähe versucht werden, zum Bespiel mit einem zugewandten Blick und Winken anstatt dem gewohnten Kuss.
Literatur und Links zur Basalen Stimulation
> Andreas Fröhlich, Basale Stimulation, Hogrefe, 2019
> Andreas Fröhlich, Basale Stimulation in der Pflege – Arbeitsbuch, Hogrefe, 2016
> Hier geht’s zum Internationalen Förderverein Basale Stimulation e.V.
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