Würde

Die Würde ist der oberste Wert des Grundgesetzes und der Menschenrechte. Auch die Würde von Menschen mit Demenz ist unantastbar.

Würde ist ein vielschichtiger Begriff. Sprachgeschichtlich leitet er sich ab vom mittelhochdeutschen «wirde» und ist eng verwandt mit dem Wort «Wert». Laut Duden bezeichnet der Begriff einen Achtung gebietenden Wert, der einem Menschen innewohnt und die ihm deswegen zukommende Bedeutung. Mit Würde wird aber auch eine soziale oder moralische Vorrangstellung von Personen oder Institutionen bezeichnet, die Achtung gebietet, und ebenso eine bestimmte Haltung durch das Bewusstsein des eigenen Wertes. 

Im ersten vorchristlichen Jahrhundert postulierte der römische Philosoph Cicero ein ethisches Konzept von Würde, das dem Menschen wegen seiner Vernunftbegabung eine herausgehobene Stellung zuweist, die er sich aber erst durch sittliches Verhalten erwerben muss. Demgegenüber geht das Christentum davon aus, dass dem Menschen als Ebenbild Gottes eine gottgegebene Würde gegeben ist, die ihm unabhängig von seinem Verhalten und seinen Lebensumständen zukommt.

Auch Immanuel Kant betrachtet die Würde als einen Wert, der bedingungslos jedem Menschen gegeben ist und der weder vergänglich noch veräusserlich ist. Sowohl das deutsche Grundgesetz als auch die Erklärung der Menschenrechte benennen die Würde als unveränderliches Grundrecht jedes Menschen, das zu schützen und zu achten ist. In jüngeren medizinethischen und politischen Debatten wird der Begriff der Würde kontrovers diskutiert und zum Teil wieder an Bedingungen wie etwa die Fähigkeit zu Selbstachtung, Vernunft oder selbstbestimmtem Handeln geknüpft.  

Quelle Neue Horizonte/YouTube

Würde und Demenz

In der Gesellschaft ist die Meinung weit verbreitet, dass Demenz den Erkrankten ihre Würde raube – all jene elementaren Aspekte, die ihr Menschsein ausmacht, vom Selbstbewusstsein über die Selbstkontrolle und die Vernunft bis hin zu ihrem Sinn für die Zukunft und die Vergangenheit. Darauf basiert auch das Schreckensbild der entwürdigenden und beschämenden Situation, die mit Demenz einhergeht und viele Menschen zutiefst verstört. 

Aus diesem Grund wurden Betroffene in der Öffentlichkeit lange stigmatisiert, deren Erkrankung tabuisiert und die Beschäftigung damit alleinig an die Medizin delegiert. Noch immer fällt es vielen Menschen schwer, Demenz und Würde zusammenzudenken. Damit dies gelingt und weite Teile der Gesellschaft die Würde von Demenzkranken anerkennen, gilt es, gängige Wertvorstellungen und Menschenbilder auf den Prüfstand zu stellen und an zwei Grundannahmen zu messen: 

  • Unter der (auch rechtlich) gegebenen Voraussetzung, dass die Würde essentiell in jedem Menschsein enthalten ist, kann sie niemandem durch nichts genommen werden, auch nicht durch eine Demenzerkrankung. 
  • Eine weitere Grundbedingung des Menschen ist seine Beziehungsfähigkeit. Der Mensch kann sein Leben nur relational, also im Verhältnis zu anderen leben. Deshalb werden Demenzkranke auch nicht zu isolierten Einzelwesen, obwohl sie im Verlauf ihrer Erkrankung den Kontakt mit ihrer Umwelt zunehmend verlieren.

Zusammengenommen ermöglichen diese beiden Grundannahmen eine angemessenere Sicht auf die Situation von Demenzkranken. Demenz nimmt dem Betroffenen per se nicht seine Würde, vielmehr wird sie ihm von demjenigen entgegengebracht, der sich mit ihm in Beziehung setzt, sein verändertes Menschsein versteht und es annimmt. Das gilt für Pflegende und Angehörige ebenso wie für die Gesellschaft im Allgemeinen. 

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Demenz und Würde

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Die Wahrnehmung der Würde von Demenzkranken verändert auch den Umgang mit ihnen. Sie schützt ihn vor unzulässigen Übergriffen oder Demütigungen und balanciert dabei das Prinzip der Fürsorge mit dem der Selbstbestimmung aus. 

Darüber hinaus ergeben sich in der Begegnung von Menschen mit und ohne Demenz zahllose Möglichkeiten, den Demenzkranken Würde zuzusprechen, sei es im Gespräch oder im alltäglichen Verhalten, etwa beim gemeinsamen Einkaufen oder bei Ausflügen. Und letztlich äussert sich das Ernstnehmen der Würde von Menschen mit Demenz auch darin, ihnen und ihren Angehörigen genügend Mittel und Unterstützung zu geben, die sie brauchen, um ein gutes Leben zu führen.

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> Hier geht es um geschichtliche und kulturelle Aspekte zum Thema Würde und Alter

> Podcast des Radiosenders BR2 über die philosophischen und ethischen Grundlagen des Begriffs Würde

> Thomas Klie, Recht auf Demenz – Ein Plädoyer, Hirzel Verlag, 2021

> Melanie Werren, Würde und Demenz – Grundlegung einer Pflegeethik, Nomos Verlagsgesellschaft 2019

> Herbert Heppener: Demenz in Würde. Ein Kommunikationsratgeber für mehr Lebensqualität für Betroffene, Angehörige und Pflegende (e-book)

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