Sicherheit

Menschen mit Demenz können sich selbst oder Dritte gefährden. Angehörige und Pflegende stehen deshalb vor schwierigen Entscheidungen: Sie müssen Freiheitsrechte und -bedürfnisse der Betroffenen beachten und gleichzeitig Gefahren abwenden.  

Menschen mit Demenz verhalten sich für ihre Umgebung oft unverständlich. Aus Sicht der Betroffenen sind diese Handlungen aber eine sinnvolle Reaktion auf ihre Umwelt. Sie können sich nicht an eine Struktur anpassen, deshalb sollte die Umwelt ihre Bedürfnisse so gut es geht ermöglichen. Nicht umsonst heisst es: Demenz ist die Krankheit des Umfeldes.

Gefahren und Gefahrenprävention

Ein häufiges Phänomen ist Unruhe. Betroffene wandern durch die Wohnung, wollen etwas erledigen, meinen vielleicht, sie müssten Kinder von der Schule abholen oder zur Arbeit gehen. Mit diesem Verhalten stören Menschen mit Demenz ihre Mitmenschen. Und es lauern Gefahren. Der Betroffene könnte:

  • stürzen und sich dabei verletzen.
  • mit falscher Kleidung hinausgehen und unterkühlen oder überhitzen.
  • sich verlaufen und den Heimweg nicht mehr finden. 
  • sich im Strassenverkehr in Gefahr bringen.
  • in ein Gewässer fallen und ertrinken.
  • sich mit falscher Handhabung von Geräten in Gefahr bringen.

Lebensraum

Lebensraum

Menschen mit Demenz sollen sich im Alltag sicher und selbstständig bewegen können. Die Anpassung der Umgebung verbessert ihre Lebensqualität. weiterlesen

Nun haben die Betreuenden ein Dilemma. Einerseits wollen sie für die Sicherheit der Erkrankten sorgen. Andererseits möchten sie ihre Bedürfnisse und Lebensqualität nicht einschränken. Ein zusätzliches Problem entsteht, wenn die Erkrankte an der verschlossenen Tür zu schreien beginnt und aggressiv wird gegen die Betreuenden. Mit ihrem Verhalten zeigt sie eigentlich nur an, wie wichtig ihr die Bewegung oder eine Aufgabe ist. Als erste Reaktion empfiehlt sich ein validierendes Gespräch.

Quelle YouTube

Mit der Anpassung des Umfeldes lässt sich eine Verbesserung erreichen. Die Anpassung des Wohnbereiches zum Beispiel. Die Betreuenden sollten auch dafür sorgen, dass die Erkrankte körperlich aktiv sein und sich wirksam erleben kann: Spaziergänge, Sport, Spiel, Aufgaben im Haushalt, Begleitung beim Einkaufen usw. Weil dies eine Betreuungsperson kaum allein bewältigen kann, empfiehlt sich der Aufbau eines Netzwerks mit Familienmitglieder, Freunden und Nachbarn.

➔ Hier finden Sie Empfehlungen zum Umgang mit Gefährdung bei Demenz

➔ Hier finden Sie Hinweise für mehr Sicherheit in geschlossenen Räumen

Der Demenz-Experte und Ethiker Michael Schmieder schreibt dazu: «Stellen wir uns vor: 216 Verkehrstote im letzten Jahr auf Schweizer Strassen wären Rechtfertigung genug, den ganzen Verkehr zu stoppen. Zum Glück nehmen wir Risiken in Kauf. Menschen mit Demenz haben es verdient, dass wir mit ihnen auch Risiken eingehen, dass wir nicht sedieren, nur weil wir es nicht aushalten, dass etwas passieren kann.»

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Wenn die Ressource zum Problem wird

Immer in Bewegung bleiben! Dies ist ein guter Ansatz. Bewegung ist gesund und gibt eine gute Laune. Aber längst nicht … weiterlesen

Sicherheit und Selbstbestimmung

Besteht ein erhebliches Risiko einer Selbst- oder Fremdgefährdung, sind eventuell freiheitsentziehende Massnahmen nötig. Sie sollten das letzte Mittel sein, weil sie die Bewegungsmöglichkeiten einschränken, zum Beispiel ein Bettgitter oder ruhigstellende Psychopharmaka. In Extremfällen, etwa bei Verwahrlosung oder Unterernährung, gilt eine Einweisung in eine Klinik als Option. 

Abgesehen von kurzfristigen, akuten Notlagen, die schnelles Eingreifen erfordern, muss ein Betreuungsgericht solche Restriktionen genehmigen. Ein Antrag bei Gericht muss sehr detailliert begründet sein. Denn jede Zwangsmassnahme bedeutet einen Eingriff in individuelle Persönlichkeitsrechte. 

➔ Hier finden Sie weitere Informationen zu freiheitsentziehenden Massnahmen

Alternativen zu Freiheitseinschränkungen

Nicht nur die Deutsche Alzheimer Gesellschaft betrachtet Freiheitseinschränkungen als letztes Mittel der Unfallprophylaxe. Um Lebensqualität langfristig zu erhalten, lohnt es sich, nach Alternativen zu suchen. So könnten Patienten mit Weglauftendenz am Körper mit einem Signalgeber ausgerüstet werden, der Angehörige oder Pfleger informiert, falls der Betroffene den geschützten Bereich verlässt.

Das Modellprojekt «Der Werdenfelser Weg» zielt darauf, freiheitsentziehende Massnahmen auf ein unumgängliches Minimum zu reduzieren. Dabei suchen Experten zusammen mit Angehörigen, Betreuern und Heimleitungen in jedem Einzelfall nach dem besten Kompromiss zwischen Autonomie und Sicherheit. 

➔ Christa Matter, Hans-Jürgen Freter, Leben mit Demenzkranken. Hilfen für schwierige Verhaltensweisen im Alltag, Deutsche Alzheimer Gesellschaft, 2019

➔ Vicentz Network, Demenz und Sicherheit – Zwischen Fürsorge und Selbstbestimmung, Altenpflege Dossier 11, 2017

➔ praktische Informationen zur Vermeidung von Freiheitseinschränkungen

➔ technische Hilfen zur Unfallvermeidung bei Menschen mit Demenz

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