Emotionen

Emotionen sind Bestandteil des Lebens, und doch wissen wir nicht genau, wie sie funktionieren. Es gibt keine klare Definition, aber viele Erklärungsversuche.

Wenn es um Angelegenheiten des Körpers und des Geistes geht, ist auf den so genannten «Pschyrembel» Verlass. Das bekannteste Wörterbuch der Medizin listet seit mehr als einem Jahrhundert Krankheiten, Diagnosen und Therapien auf und erklärt sie. Dort findet sich auch ein Eintrag zu Emotionen.

Er fasst sie in aller Kürze so zusammen: »Auf der psychischen und physischen Ebene durch äussere und innere Reize oder durch Kognitionen hervorgerufene Empfindung. Evolutionär dienen Emotionen dem Überleben des Individuums oder der Art und regeln darüber hinaus das soziale Zusammenleben und anforderungsgerecht das internale Milieu.« Das klingt fachlich korrekt. Schlauer ist man danach jedoch nicht.

Was sind Emotionen – und was Gefühle?

Was sind Emotionen? Die Wissenschaft arbeitet mit Beschreibungen dieses Phänomens, das ein grundlegender Bestandteil menschlichen Lebens ist. So definieren die einen Emotionen als ein Reizreaktionsmuster, das durch Umwelteinflüsse ausgelöst wird. Andere bezeichnen sie als eine neurophysiologische Reaktion im Gehirn, die sich nicht beeinflussen lässt. 

Wieder andere vertreten die Auffassung, dass Emotionen Elemente eines mentalen und psychischen Lernprozesses sind und damit ein soziales Konstrukt, bedingt durch Erwartungen, Meinungen, Wünsche oder Vorstellungen.

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Diskutiert wird weiterhin der Unterschied zwischen Emotion und Gefühl – zwei Begriffe, die im Alltag meist gleichgesetzt werden. Doch meinen beide etwas Unterschiedliches: »Gefühl« bezeichnet zunächst eine sinnliche Wahrnehmung: Wir fühlen zum Beispiel winterliche Minusgrade als Kälte auf der unbedeckten Haut. Oder wir fühlen Schmerz, wenn wir eine heisse Herdplatte anfassen. 

Der Wissenschaftsjournalist Rüdiger Vaas schreibt in einem Essay im «Lexikon der Neurowissenschaft» zum Verhältnis Gefühl und Emotion (Quelle www.spektrum.de): 

«Wir kennen unsere Emotionen dadurch, dass sie uns als Gefühle bewusst werden. Doch entwickelt haben sie sich nicht als bewusste Empfindungen, sondern als verhaltensmässige und physiologische Spezialisierungen, als vom Gehirn gesteuerte und auf dieses zurückwirkende körperliche Reaktionen, die den Organismen, von denen wir abstammen, das Überleben und die Fortpflanzung in einer feindlichen Umwelt ermöglicht haben. Emotionen werden ganz oder überwiegend unbewusst erzeugt; das bewusste emotionale Erleben (Gefühlszustände) ist also nur ein Aspekt von Emotionen.»

Anders als Gefühle sind Emotionen sichtbar und auch messbar – etwa in Form einer erhöhten Herzschlagfrequenz oder eines veränderten Hormon-Spiegels im Blut. Beides sind Kennzeichen einer physiologischen Reaktion. Zu diesen Körperreaktionen der Emotion kommen Verhaltensmerkmale hinzu: Mimik und Gestik, Körperhaltung und Tonfall. Emotionen leiten zielgerichtetes Verhalten ein und begleiten es. Und sie verändern Wahrnehmung, Denken und Erinnerung.

Wie Demenz den Zugang zu Emotionen verändert

Der Mensch besitzt die Fähigkeit, seine Emotionen zu regulieren und zu kontrollieren – zumindest ein Stück weit. Wir sind in der Lage, Emotionen wie Angst oder Aggression, Ekel oder Freude, Scham oder Wut zu verschleiern – zum Beispiel, weil wir sie als sozial nicht angemessen wahrnehmen.

Dahinter steht eine kognitive Leistung. Wenn bei einer demenziellen Erkrankung der Verstand schwindet, geht diese Fähigkeit verloren. Anders gesagt: Demenz ist ein Türöffner für Emotionen. Sie werden ungefilterter erlebt und auch gezeigt.

Quelle YouTube

Umgekehrt gilt, dass der Mensch mit Demenz nicht nur die eigenen Emotionen direkter zeigt, sondern auch ein besonderes Gespür für Emotionen entwickeln kann, die nicht direkt erkennbar sind oder auch verschleiert werden sollen. Das kann zum Beispiel der Ekel der Pflegekraft sein, die morgens das Zimmer betritt und entdeckt, dass ihr Patient sich eingekotet hat. Möglicherweise wird sie tapfer versuchen, freundlich zu lächeln und ihren Ekel zu verbergen. Doch das Lächeln um den Mund und die Augen werden dann nicht kongruent, also übereinstimmend sein.

Menschen mit Demenz sind lange in der Lage, solche Dissonanzen wahrzunehmen und entsprechend ungefiltert zu reagieren. Umgekehrt lassen sich aus den Gesichtern der Menschen mit Demenz noch lange ihre Emotionen ablesen, wenn Sprach- und Bewegungsvermögen bereits verloren gegangen sind.

Quelle SRF/YouTube

Neben der gesprochenen Sprache gibt es eine Fülle nonverbaler Verständigungsmöglichkeiten etwa über Gesichtsausdruck, Gesten, die Position im Raum, Augenkontakt und Berührungen. Insbesondere in der Versorgung und Betreuung von Menschen mit Demenz sind diese Verständigungsmöglichkeiten sehr wichtig, da Demente mit dem Fortschreiten der Krankheiten zunehmend Probleme in der verbalen Kommunikation haben.

Bleibt die Frage, wie wir als Betreuende und Pflegende mit den Emotionen von Menschen mit Demenz und mit unseren eigenen umgehen können. Sehr wichtig ist, dass wir uns die Gedanken und Gefühlswelt von Menschen mit Demenz einlassen. Dass wir ihre Gefühle, Emotionen und Empfindungen ernst nehmen und ihnen auf Augenhöhe begegnen. Eine einfühlende Kommunikation und die Methode Validation können uns dabei helfen. In diese beiden Beiträgen erfährst du mehr darüber, wie die einfühlsame Begleitung von Menschen mit Demenz gelingen kann:

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 > Emotionen sind ein Wegweiser durchs Leben

> Hier geht’s zum ABC der Emotionen 

> Mehr über das Lesen von Gefühlen gibt’s hier

> Naomi Feil, Validation in Anwendung und Beispielen. Der Umgang mit verwirrten alten Menschen, Ernst Reinhardt Verlag, 2010

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