Stigmatisierung

Trotz besserer Aufklärung ist Demenz noch immer stigmatisiert. Dagegen helfen Offenheit, Wissen, Schicksalsgemeinschaften und persönliche Begegnungen.

Laut Welt-Alzheimer-Report 2019 – einer Befragung von 70.000 Menschen in 155 Ländern – ignorieren viele Menschen mit Demenz erste Krankheitssymptome aus Angst, an den gesellschaftlichen Rand gedrängt zu werden. Daraus resultiert oft eine schlechte Lebensqualität, weil die Patienten darauf verzichten, schon im Anfangsstadium Beratungs- und Behandlungsangebote anzunehmen. In Deutschland erklärten 20 Prozent der Befragten, sie würden Demenz vor anderen Menschen verheimlichen. In der Schweiz waren es zwölf Prozent. Auch Menschen, die ihre Demenz offen kommunizieren, sind mit Vorurteilen konfrontiert.

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Dazu zählt die Annahme, dass Demenz aufgrund des damit verbundenen Autonomieverlusts die menschliche Würde raubt. Eine solche, ausschliesslich negative Sicht auf die Erkrankung kann zu Distanz gegenüber Betroffenen und zu Ausgrenzung führen. Dabei schliessen sich Demenz und Lebensqualität nicht grundsätzlich aus. Ein weiteres Problem: Manche medizinischen Fachkräfte unterschätzen offenbar die Konsequenzen einer Diagnose. So finden mehr als die Hälfte der weltweit befragten, dass Menschen mit Demenz von Ärzten und Pflegenden nicht ernst genommen werden. 

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Ursachen der Stigmatisierung von Demenz

Mangelndes Wissen ist ein Grund für Stigmatisierung. So fokussiert sich Berichterstattung über Demenz meist auf das letzte Krankheitsstadium. Die Öffentlichkeit nimmt Betroffene generell als schwer hilfsbedürftige Menschen zur Kenntnis, die kaum mehr etwas können, alles vergessen und ihre Angehörigen nicht mehr erkennen. Ausserdem fürchtet sich die Mehrheit der Bevölkerung vor dem mit einer Demenz einhergehenden Persönlichkeitsveränderungen und Kontrollverlust.

Dabei folgt auf eine Diagnose normalerweise eine längere Zeit mit geringeren Beeinträchtigungen. Experten fordern deshalb, neben krankheitsbedingten Defiziten auch die weiter vorhandenen Fähigkeiten zu thematisieren. Nötig ist eine Aufklärung möglichst grosser Teile der Bevölkerung. Betroffene, ihre Angehörigen, Pfleger und Wissenschaftler können in Schulen, Universitäten, Parlamenten und Medien über die Erkrankung informieren und so Menschen sensibilisieren. Im nachfolgenden Video stellt sich die Wiener Selbsthilfeorganisation Promenz vor:

Quelle Promenz/YouTube

Menschen mit Demenz können sich nützlich machen

Eine Demenzdiagnose bedeutet für jüngere Menschen normalerweise ein Ende ihres Arbeitslebens. In den meisten Fällen geschieht das auf Wunsch der Betroffenen. Sie glauben, ihr Pensum künftig nur unzureichend erfüllen zu können. Auch Arbeitgeber befürchten höhere Fehlerquoten. Sicher ist: Komplexe Tätigkeiten sind in der Regel ungeeignet. Dennoch verfügen viele Patienten, vor allem im Anfangsstadium, über Ressourcen für einfache Aufgaben. Eine Weiterbeschäftigung unter veränderten Bedingungen mindert nicht nur mögliche finanzielle Verluste, sondern kann auch Ausgrenzung verhindern.

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Eine Diagnose weit vor Eintritt in das Rentenalter stellt Familien vor Probleme. Meist ist der Partner berufstätig, manchmal leben Kinder im Haushalt. Der Versuch, einen dementen Menschen in den Alltag zu integrieren, kann alle Beteiligten überfordern. Entscheiden sich Betroffene und Angehörige für eine stationäre Pflege, sind meist nur Einrichtungen verfügbar, die auf Bedürfnisse von Senioren abzielen. 

Ein solches Umfeld kann bei jüngeren Erkrankten ein Gefühl der Stigmatisierung hervorrufen. Eine Alternative können Tageszentren, die auf die Betreuung Jüngerer spezialisiert sind, oder Demenz-Wohngemeinschaften sein. Beratungen bieten die nationalen Alzheimer-Gesellschaften oder der Sozialpsychiatrische Dienst der Gesundheitsämter. Unabhängig von Alter und Wohnsituation helfen Begegnungen von Menschen mit und ohne Demenz dabei, Hemmschwellen abzubauen. Ansprechpartner für entsprechende Angebote sind Kirchen, Nachbarschaftsinitiativen, Sportvereine, Kulturveranstalter oder Volkshochschulen. 

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Zehn Empfehlungen für die gesellschaftliche Akzeptanz von Demenz

  • Öffentlichkeit besser informieren und aufklären
  • Isolation der Betroffenen verringern
  • Betroffenen eine Stimme geben
  • Die Rechte von Menschen mit Demenz und ihren Pflegenden anerkennen
  • Betroffene in lokale Gemeinschaften einbinden, etwa über Sport oder Kultur
  • Unterstützung für ehrenamtliche und professionelle Pflegende
  • Qualität der Pflege zu Hause und in Heimen verbessern
  • Demenzkompetenz der Hausärzte verbessern
  • Aufruf an die Regierungen, nationale Alzheimer-Strategien zu erstellen
  • Forschung intensivieren 

Quelle: Internationale Alzheimer-Gesellschaft (ADI)

> Den gesamten Bericht der ADI zur Entstigmatisierung findest du hier (englisch

> Hier geht’s zu einem Artikel von Petra Rösler über die stigmatisierende Demenz-Sprache in den Medien

> Hier berichten Menschen mit Demenz, wie sie die Krankheit und die Reaktionen ihrer Mitmenschen erleben (Deutsche Alzheimer Gesellschaft)

> Hier finden Sie einen Aufsatz von Asmus Finzen, Arzt und Professor für Sozialpsychiatrie, über Ursachen von Stigmatisierung bei Demenz

> Hier geht’s zu einem Artikel von Raphael Schönborn über Selbsthilfe und Selbstvertretung

> Nicolas Rüsch, Das Stigma psychischer Erkrankung: Strategien gegen Ausgrenzung und Diskriminierung, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2020

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