Heimeintritt
Die Betreuung von Menschen mit Demenz ist anspruchsvoll. Wenn es zu Hause nicht mehr geht, lässt sich ein Heimeintritt oft nicht vermeiden.
Wenn pflegende und betreuende Angehörige an ihre Grenzen stoßen, können sie diverse Entlastungsangebote in Anspruch nehmen. Doch oft reichen Aufenthalte in Tagesstätten und die Unterstützung durch Spitex-Dienste nicht aus. Meist sind Nachtaktivität, Inkontinenz und Persönlichkeitsveränderungen von Menschen mit Demenz die Ursache dafür, dass Angehörige über ihre Grenzen hinaus belastet werden.
Du solltest früh nach geeigneten Heimen Ausschau zu halten. Denn gute Institutionen haben manchmal lange Wartelisten. Und die notfallmäßige Übersiedlung in ein Heim oder in eine psychiatrische Klinik ist für alle Beteiligten keine schöne Erfahrung.
So oder so ist der Übertritt in ein Heim mit schmerzhaften Gefühlen verbunden. Die meisten Menschen möchten zu Hause leben. Wahrscheinlich hat auch dein Angehöriger diesen Wunsch geäussert. Vielleicht hast du ihm versprochen, ihn nie in ein Heim abzugeben. Die schlechten Gefühle werden verstärkt durch das negative Image von Altersheimen. Medienberichte über skandalöse Zustände in Heimen und die politische Maxime «ambulant vor stationär» verstärken diese Gefühle. Fakt ist: Verwahrlosung, mangelhafte Betreuung oder gar Misshandlung kommen viel öfter zu Hause vor als in Heimen. Dies ist so, weil Angehörige oft überfordert sind und vielen von ihnen die Geduld und das Wissen fehlen.
Es gibt gute Alters- und Pflegeheime, die Menschen mit Demenz kompetent und empathisch begleiten. Umso wichtiger ist es, dass sich die Angehörigen frühzeitig nach geeigneten Heimen Ausschau halten. Sie sollen sich klar werden, welche Bedürfnisse der Erkrankte hat und welche eigenen Vorstellungen sie haben. Am besten ist es, wenn man verschiedene Heime und Angebote vergleicht.
Wann ist es Zeit für den Eintritt ins Heim bei Demenz?
Wenn die folgenden Situationen und Belastungen eintreten, sollten sich die Angehörigen Gedanken machen über den Umzug in ein Heim:
- Die Gesundheit der pflegenden Angehörigen ist gefährdet – zum Beispiel wegen Schlafmangel, Erschöpfung, andauerndem Stress oder psychischer Überbelastung.
- Die erkrankte Person findet das WC nicht mehr, ihre zunehmende Inkontinenz wird zum Problem.
- Die erkrankte Person gefährdet sich und andere. Sie stürzt oft, läuft weg, lässt Kerzen brennen, lässt den Herd an und kann Gefahren nicht mehr einschätzen.
- Es kommt zu schweren Konflikten – die pflegenden Angehörigen sind so stark überfordert, dass sie Dinge tun, die sie nachher bereuen.
- Die Pflege und Betreuung ist zu anspruchsvoll geworden und erfordert 24/7-Bereitschaft durch Fachkräfte.
- Die erkrankte Person verweigert die Unterstützung durch Dritte oder durch die Angehörigen.
- Die erkrankte Person ist aggressiv, laut, ausfällig und verhält sich unangemessen.
- Die Gesundheit der erkrankten Person ist gefährdet wegen Gewichtsverlust, Angstzuständen, Vereinsamung oder Depression.
Wie finde ich ein geeignetes Heim?
Weit über die Hälfte der Bewohner:innen von Alters- und Pflegeheimen haben eine Demenz wie beispielsweise Alzheimer. Deshalb hat heute fast jede Einrichtung spezielle Abteilungen und Angebote für Menschen mit Demenz. Es gilt herauszufinden, wo diese Heime sind und was sie zu bieten haben. Folgende Punkte sind dabei zu beachten:
- Wünsche und Vorstellungen: Was ist der betroffenen Person und den Angehörigen wichtig? Was hat Priorität, welche Eigenschaften eines Heims sind besonders wichtig? Falls möglich spricht man mit der betroffenen Person darüber und hält diese schriftlich fest.
- Beratungsstellen der Alzheimer-Organistaionen: Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft, Alzheimer Schweiz, Austria, Luxemburg, Südtirol und Demenz Liechtenstein können über ihre regionalen Beratungsstellen und Hotlines Auskunft geben. Die Links zu diesen Organisationen sind am Schluss dieses Artikels aufgeführt.
- Staatliche Anlaufstellen der Regionen, Städte und Kommunen: In jeder Region, Stadt und Kommune gibt es Anlaufstellen und Beauftragte für Altersfragen.
- Internet-Recherche: Mittels Suchmaschinen und online-Karten lassen sich Heime finden, auf Google Maps sind sie sogar mit Bewertungen versehen (die mit Vorsicht zu geniessen sind).
- Umfrage im Bekanntenkreis: Personen aus dem Umfeld haben vielleicht Angehörige, die in Heimen leben. Vielleicht gibt es Familienmitglieder oder Bekannte, die im Gesundheitsbereich arbeiten und sich auskennen.
Checkliste zur Auswahl eines Alters- und Pflegeheims
Wenn die Angehörigen verschiedene Altersheime in Betracht ziehen, sollen sie diese besuchen und miteinander vergleichen. Die folgende Checkliste zeigt auf, worauf bei der Auswahl des Heims zu achten ist.
1. Lage
- Ist das Heim in der näheren Umgebung unseres Wohnortes?
- Können wir das Heim gut erreichen? (mit ÖV, Auto, zu Fuss)
- Entspricht die Umgebung den Bedürfnissen? (Natur, Stadt, Einkaufen usw.)
2. Atmosphäre und Personal
- Wie ist unser erster Eindruck?
- Gefallen uns Einrichtung, Architektur und Garten?
- Sind das Haus, die Zimmer und der Garten sauber und gepflegt?
- Wie geht das Personal mit den Bewohner:innen um?
- Ist das Personal während unserer Besichtigung freundlich? Sind wir willkommen?
3. Ausstattung
- Wie gefallen uns die Zimmer? Sind sie hell und einladend? Haben sie einen Balkon?
- Dürfen wir eigene Möbel und Bilder mitbringen?
- Gibt es Einzelzimmer?
- Gibt es grössere Aufenthaltsräume?
- Gibt es private Räume, in die wir uns zurückziehen können?
- Sind die Zugänge und Räume barrierefrei? Gibt es Handläufe und Haltegriffe?
- Ist mein Angehöriger gut aufgehoben und sicher in diesem Heim?
4. Dienstleistungen und Besuche
- Wie sind die Dienstleistungen? (Frisör, Fusspflege, Wäsche usw.)
- Gibt es eine Cafeteria und/oder einen Kiosk?
- Wie ist der Speiseplan? Gibt es Auswahl? Gibt es Zimmerservice?
- Darf mein Angehöriger zu seinen gewohnten Zeiten essen?
- Dürfen wir bei unseren Besuchen zusammen essen?
- Wie sind flexibel sind die Besuchszeiten? Darf ich auch mal über Nacht bleiben?
- Darf ich mich auf Wunsch an der Betreuung und Pflege beteiligen?
5. Pflege und Medizin
- Haben wir eine feste Ansprechperson aus dem Pflegeteam?
- Gibt es spezielle Abteilungen und Angebote für Menschen mit Demenz?
- Ist das Personal qualifiziert für Betreuung, Pflege und medizinische Versorgung?
- Gibt es einen Heimarzt? Dürfen wir unseren Hausarzt behalten?
- Gibt es regelmässige Untersuchungen durch Haus- und Fachärzte?
6. Alltag und Angebote
- Gibt es attraktive Angebote, die unseren Vorstellungen entsprechen?
(Kultur, Sport, Ausflüge, Chor, Tanz, Malen, Gottesdienste, Museumsbesuche usw.) - Dürfen sich die Bewohner nützlich machen? (Kochen, Einkaufen, Gärtnern usw.)
- Gibt es Angebote für bettlägerige Bewohner:innen?
7. Kosten und Organisatorisches
- Wie hoch sind die monatlichen Kosten? (Pflege, Betreuung, Hotellerie)
- Wie hoch sind die Sonderkosten? (Telefon, Begleitdienste, Service usw.)
- Wie viel davon übernimmt die Krankenversicherung?
- Wie viel erhalten wir durch weitere Zuschüsse? (Staat, Versicherungen)
- Gibt es Anmeldegebühren?
- Wie viel müssen wir bei Abwesenheit bezahlen? (Urlaub, Krankenhaus)
- Wie viel müssen wir selbst bezahlen?
- Gibt es freie Plätze? Gibt es Wartezeiten?
- Wie sind die Vertragskonditionen? (Kündigungsfristen, Aufnahmebedingungen usw.)
Was beim Eintritt ins Heim zu beachten ist
Der Umzug ins Heim ist für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen belastend. Es lohnt sich, diesen Schritt gut vorzubereiten und einige Dinge zu beachten:
- Sprich mit der erkrankten Person über den bevorstehenden Umzug und seine Gründe (deine Überforderung, Gefährdungen etc.) und seine positiven Aspekte. Teile ihr mit, dass ihr beide auf Hilfe angewiesen seid, dass du dir Sorgen machst und dass du auch im Heim für sie da sein wirst.
- Besorge dir die Unterstützung von Familienangehörigen und Freunden, die dich bei der Kommunikation unterstützen. Auch Pflegende und die Hausärztin können mit der erkrankten Person darüber sprechen. Manchmal kommt dies besser an als von einer sehr nahestehenden Person.
Der Eintritt ins Heim ist ein Wechselbad der Gefühle
Demenz ist ein Abschied auf Raten. Du und dein erkrankter Angehöriger haben bereits viele Verluste hingenommen. Und jetzt folgt mit dem Umzug ins Heim ein weiterer sehr grosser Verlust. Dazu können Gefühle des Versagens kommen. Vielleicht denkst du jetzt: »Ich habe ihm doch versprochen, dass ich ihn zu Hause betreue. Warum schaffe ich das nicht? Warum habe ich versagt, warum muss ich diesen Verrat begehen?«
Bei allem Schmerz sollte dir bewusst sein: Sehr oft ist es unmöglich, Menschen mit Demenz zu Hause zu betreuen und zu pflegen. Kein Angehöriger ist in der Lage, 24/7 da zu sein. Nachtaktivität, Inkontinenz, Persönlichkeitsveränderungen und psychische Begleitstörungen (zum Beispiel Aggression) verunmöglichen die Betreuung zu Hause in vielen Fällen. Sei dir bewusst, dass du ein Recht hast auf ein gutes Leben, und dass dein erkrankter Angehöriger nicht will, dass du wegen ihm auf alles verzichten musst.
In solchen Situationen ist es wichtig, dass du dich mit anderen Menschen und vielleicht auch mit Fachpersonen (Psycholog:in, Demenzberater:in, Psychiater:in u.a.) austauschen kannst. Vielleicht gibt es in deiner Region auch eine Angehörigengruppe, wo du mit Menschen reden kannst, die ähnlich schmerzhafte Erfahrungen gesammelt haben.
Auch nach dem Eintritt deines Angehörigen in ein Heim wirst du starken Gefühlen ausgesetzt sein. Vielleicht findet er sich dort überhaupt nicht zurecht, was deine Gefühle des Versagens verstärken wird. Vielleicht geht es ihm dort viel besser, und du wirst dich fragen, was du denn vorher alles falsch gemacht hast.
Links und Literatur zum Eintritt ins Heim bei Demenz
> Hier finden Sie Altenheime, Seniorenresidenzen und Pflegeeinrichtungen in Deutschland
Diese Organisationen kannst du nach geeigneten Heimen fragen:
> Deutsche Alzheimer Gesellschaft, regionale Anlaufstellen
> Alzheimer Schweiz, Sektionen
> Alzheimer Austria
> Alzheimer Association Luxemburg
> Demenz Liechtenstein
> Alzheimer Südtirol
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