Musik
Musik hilft Menschen mit Demenz, Stress, Schmerzen und negative Gefühle zu lindern. Das gemeinsame Singen sorgt für gute Stimmung.
Musik besteht aus Tönen, Klängen, Geräuschen. Sie weckt Gefühle und Erinnerungen. Um Musik richtig zu verarbeiten, muss das Gehirn Höchstleistungen vollbringen. Es ordnet Instrumente und Stimmen; erkennt Tonhöhen, Tondauer und Klangfarben, sortiert diese zu Takten, Rhythmen und Akkorden, formt Melodien. Musik bewirkt, dass der Körper verstärkt Endorphin und Dopamin (Glückshormone) ausschüttet und die Produktion von Cortisol (Stresshormon) reduziert.
Musik hält den Verlust geistiger Fähigkeiten von demenzkranken Menschen nicht auf. Aber hören oder singen kann Symptome wie Depression, Vegesslichkeit oder Unruhe lindern. Patienten, die sich kaum an Ereignisse vom Vortag erinnern, sind in der Lage, Lieder zu singen, die sie aus ihrer Kindheit kennen. Forscher erklären dieses Phänomen damit, dass musikalische Inhalte in Hirnarealen gespeichert werden, die bei Alzheimer noch lange erhalten bleiben.
Hinzu kommt: Während mit fortschreitendem Krankheitsverlauf ein verbaler Austausch immer schwieriger wird, bietet Musik Menschen mit Demenz eine Möglichkeit, weiterhin am Leben mit Freunden und Familie teilzuhaben. Eine Verbesserung der Lebensqualität verspricht eine – an die Methode des Schweizer Komponisten und Musikpädagogen Émile Jaques-Dalcroz angelehnte – Kombination aus improvisierter Klaviermusik und Bewegung. Die Effekte dieser Therapie bestätigen Forschungen von Reto W. Kressig, Professor für Geriatrie an der Universität Basel und Chefarzt am Felix Platter-Spital für Universitäre Altersmedizin.
Patienten, die unter Anleitung regelmässig Musik mit körperlichen Übungen verknüpften, vermochten vollständige Sätze zu formulieren, obwohl sie sich zuvor nur noch mit einzelnen Wörtern artikuliert hatten. Ursache dafür ist laut Kressig die Verknüpfung von Hirnregionen, die Musik, Bewegung und Sprache steuern. Ausserdem konnten Wissenschaftler eine Zunahme der Orientierungsfähigkeit bei gleichzeitiger Abnahme von Aggression, Apathie und Hyperaktivität beobachten.
Eine weitere Anregung ist die Klangsteintherapie. Entwickelt haben dieses Verfahren Martin Runge, Facharzt für Klinische Geriatrie, und Komponist Klaus Fessmann. Dabei streichen Patienten mit Händen über speziell bearbeitete Granitsteine und erzeugen so sphärische Klänge. Gleichzeitig überträgt sich die Vibration der Steine auf den Körper, was Durchblutung und Körperwahrnehmung anregt. Oft gefallen den Menschen mit Demenz die einfache Handhabung und die Kombination aus bewegen, hören, spüren. Zudem sorgt die monotone Musik für eine meditative Stimmung, was beruhigend wirkt.
Musik im Alltag
Jeder Mensch nimmt Musik anders wahr. Ein Lied kann bei verschiedenen Rezipienten völlig verschiedene Reaktionen auslösen – je nachdem, welche Erinnerungen damit verknüpft sind. Der Neurowissenschaftler und Psychologe Stefan Kölsch, der an der Universität von Bergen zur Wirkung von Musik auf Alzheimer forscht, empfiehlt bei der Musikauswahl biografische Besonderheiten zu berücksichtigen. Stücke aus Kindheit oder Jugend sind oft tief verankert und rufen schöne Erinnerungen hervor.
Auch Musik aus Kopfhörern kann Stress auslösen. Menschen mit Demenz empfinden es vielleicht als übergriffig, wenn Angehörige oder Pfleger ihrem Kopf zu nahekommen. Das Kompetenzzentrum Demenz Bethlehemacker in Bern startete 2017 das Programm «Music & Memory». Dabei nahmen Experten für jeden Bewohner eine individuelle Playlist mit biographisch bedeutsamer Musik auf. Die Patienten hörten diese Zusammenstellung mit einer Pflegeperson. Die wissenschaftliche Evaluation des ein Jahr lang laufenden Projektes ergab eine signifikante Abnahme von Depressionen durch gemeinsames Hören.
Links und Literatur zu Musik und Demenz
> Stefan Kölsch, Good Vibrations – die heilende Kraft der Musik, Ullstein 2019
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