Palliation
Palliative Medizin und Pflege lindert Leiden und schafft Lebensqualität – auch für Menschen mit schwerer Demenz.
Das Wort Palliation leitet sich vom lateinischen Begriff palliare ab und bedeutet «mit einem Mantel umhüllen». Die Weltgesundheitsorganisation definiert Palliativmedizin als aktive, ganzheitliche Behandlung von Patienten mit einer weit fortgeschrittenen Erkrankung, die nicht mehr auf eine heilende Therapie ansprechen. Oberste Priorität hat dabei die Linderung von Schmerzen und die Therapie von anderen Krankheitsbeschwerden wie Übelkeit, Atemnot, Verstopfung oder Appetitlosigkeit.
Palliative Massnahmen werden auch bei psychischen und sozialen Problemen der Patienten eingesetzt. Dazu gehören auch das Erkennen und Beenden von Behandlungen, die unnötig sind oder dem Patienten vermeidbares Leid zufügen.
Palliativmedizin will den Tod weder beschleunigen noch hinauszögern. Im Mittelpunkt der Behandlung steht der Erhalt oder die Steigerung der Lebensqualität im letzten Stadium einer Krankheit.
Für das ganzheitliche Betreuungskonzept der Palliativmedizin und -pflege sowie der Begleitung von Sterbenden hat sich inzwischen auch im deutschsprachigen Raum der Oberbegriff „Palliative Care“ eingebürgert. Dabei orientieren sich alle Massnahmen und Handlungen am Wohlbefinden des Patienten.
Um diesen individuellen Anforderungen gerecht zu werden, kümmern sich interdisziplinäre Teams aus Ärzten, Pflegekräften, speziellen Therapeuten, Sozialarbeitern und Seelsorgern um den Patienten. Während des Krankheitsverlaufs bis hin zum Tod hilft Palliative Care auch den Angehörigen bei der Verarbeitung von seelischen und sozialen Problemen.
Die palliative Versorgung von Patienten kann zuhause, in Tageseinrichtungen, im Pflegeheim, Krankenhaus oder Hospiz erfolgen. Sie kommt bei verschiedensten Krankheiten zum Einsatz, etwa bei Kindern und Erwachsenen mit Tumorerkrankungen oder bei älteren Erkrankten mit schweren organischen oder neurologischen Leiden.
Geschichte
Schon im Mittelalter wurden schwer kranke und sterbende Menschen in so genannten Hospizen aufgenommen, wo sie körperlich und seelisch betreut und einfühlsam bis zum Tod begleitet wurden. Mit den Fortschritten der modernen Medizin trat die ganzheitliche Versorgung von Menschen mit fortgeschrittenen unheilbaren Krankheiten in den Hintergrund. Oft erhielten sie alles, was an therapeutischen Massnahmen möglich war, selbst wenn diese keine oder nur geringe Wirkung zeitigten.
Dagegen wurden Schwerkranke mit ihren physischen und psychischen Nöten in den letzten Tagen ihres Lebens meistens alleine gelassen. In den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts erkannte die Engländerin Cicely Saunders diesen Missstand und liess die Tradition der Hospize wiederaufleben. 1967 gründete die Sozialarbeiterin, Krankenschwester und spätere Ärztin in London das St. Christopher’s Hospiz und bald darauf den ersten palliativen Hausbetreuungsdienst.
Im deutschsprachigen Raum entwickelten sich Konzepte der Palliativversorgung seit den 1980er Jahren, zunächst in Deutschland und Österreich, später auch in der Schweiz. Bis heute ist das Ziel einer flächendeckenden Palliative Care aber in allen drei Ländern nicht erreicht.
Palliation und Demenz
Demenz ist in der Regel eine unheilbare, tödlich verlaufende Krankheit, und die Betroffenen brauchen schon früh eine palliative Betreuung. Bereits in der ersten Krankheitsphase empfinden viele demenziell erkrankte Angst, Hilflosigkeit und Verunsicherung. Eine palliative, beschützende Versorgung kann ihre Lebensqualität deutlich verbessern. Dabei geht es um mehr als die blosse Linderung von Symptomen wie Schmerzen oder Übelkeit.
Menschen mit Demenz wollen ebenso wie alle anderen das Gefühl erleben, wertgeschätzt und akzeptiert zu sein. Sie brauchen Geborgenheit und Sicherheit, wollen Zuneigung erfahren und zeigen können. Lust und Genuss gehören zu ihrer Lebensqualität ebenso wie Freude und Humor. Dagegen werden negative Emotionen und Zwänge, etwa bei der Ernährung oder der Körperpflege, als belastend empfunden.
Gerade bei der Nahrungsaufnahme ist der Druck zu Zwangsmassnahmen gross, denn oft verspüren Demenzkranke in ihrer letzten Lebensphase keinen Hunger mehr. Doch Lebensqualität entsteht für sie nicht durch künstliche Ernährung, sondern durch aufmerksam angereichtes Essen, das ihre Sinne angenehm reizt.
Mit fortschreitender Erkrankung fällt es Menschen mit Demenz immer schwerer, ihre Schmerzen, Ängste oder Bedürfnisse zu benennen. Deshalb sollten Betreuende besonders achtsam sein und die Menschen mit Demenz anhand ihrer nonverbalen Kommunikation verstehen. Umso wichtiger ist es, von Anfang an eine Beziehung zu den Betroffenen aufzubauen und ihnen zu vermitteln, dass sie ernst genommen werden.
Selbst im letzten Stadium der Demenz bleiben sie empfindsame Personen mit einem Anspruch auf Begegnungen und Handlungen, die ihr Wohlbefinden fördern. Insofern ist Palliative Care nicht nur ein Konzept, sondern eine Haltung, die Menschen in jeder Phase ihrer Demenz als Teil der Gemeinschaft anerkennt und sie daran bis zum Schluss teilhaben lässt.
Links und Literatur
➔ Hier geht es zu einem Dossier von alzheimer.ch über Palliation und Demenz
➔ Barbara Steffen-Bürgi u.a. (Hg.), Lehrbuch Palliative Care, Hogrefe, 2017
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