Inkontinenz
Inkontinenz ist eine häufige Begleiterscheinung von Demenz. Sie sehr belastend sein und ist oft der Grund für den Eintritt in ein Heim.
Das lateinische Wort «Inkontinenz» bedeutet «nicht zurückhalten können». Die ungewollte Ausscheidung von Urin ist eine weitverbreitete Erkrankung. Schätzungen zufolge ist im Leben etwa jeder zehnte Mann und jede vierte Frau von Harninkontinenz betroffen, bei den über Sechzigjährigen leiden 60 Prozent der Frauen und 30 Prozent der Männer darunter. Die Dunkelziffer dürfte aber höher sein, weil viele Betroffene ihre Inkontinenz aus Scham verschweigen und keinen Arzt aufsuchen.
Die Arten von Inkontinenz
- Die häufigste Erscheinungsform der Harninkontinenz ist die Belastungsinkontinenz. Dabei wird der Urinfluss ausgelöst durch körperliche Belastung, bei der sich der Druck im Bauchraum erhöht, etwa durch schweres Heben, Niesen, Husten oder Lachen.
- Bei der Dranginkontinenz kommt es zu einem plötzlichen und starken Harndrang, sodass keine Zeit mehr zum Toilettengang bleibt.
- Bei der Reflexinkontinenz spüren die Betroffenen nicht mehr, wenn die Blase voll ist und können auch die Entleerung nicht mehr steuern.
- Die Überlaufinkontinenz äussert sich durch ständigen Urinfluss in kleinen Mengen und oft durch einen permanenten Harndrang.
- Bei der selteneren Stuhlinkontinenz können Betroffene den Darminhalt und die Darmgase nicht willentlich zurückhalten. In leichteren Fällen führt das zu gelegentlichem Stuhlschmieren, in schweren Fällen verlieren die Patienten ständig auch festen Stuhl.
Ursachen und Folgen
Die Ursachen für eine Harn- oder Stuhlinkontinenz sind vielfältig. Bei beiden Erkrankungen sind jedoch die Verschlussmechanismen oder die entsprechenden Nervenstrukturen gestört. Eine häufige Ursache der Harninkontinenz ist die Schwächung oder Verletzung des Beckenbodengewebes. Bei älteren Betroffenen etwa wird der Verschlussmechanismus der Blase beeinträchtigt, weil die Elastizität des Beckenbodens nachgelassen hat.
Auch eine vergrösserte Prostata oder eine Harnröhrenverengung können Inkontinenz verursachen, ebenso bestimmte Medikamente oder Tumore. In anderen Fällen schädigen neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Schlaganfall oder Demenzen die Nerven oder Gehirnregionen, welche den Verschlussapparat von Blase oder Darm steuern.
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Zur Abklärung der Ursachen einer Inkontinenz ist es wichtig, einen Arzt aufzusuchen. Dieser kann die richtige Behandlung einleiten, etwa ein Beckenbodentraining, Medikamente oder einen operativen Eingriff. Im persönlichen Gespräch können auch Massnahmen besprochen werden, mit denen die Lebenssituation der Betroffenen verbessert werden kann, zum Beispiel der Einsatz von Hilfsmitteln wie Einlagen oder Toilettenstühlen.
Grosse Belastung für die Betroffenen
Die Probleme mit Inkontinenz wirken sich stark auf das Leben der Betroffenen aus, sie reichen von Hautschädigungen oder Stürzen bei plötzlichem Harndrang bis hin zu schweren psychischen Belastungen. Bei einer Studie gaben 69 Prozent der Teilnehmer an, dass Inkontinenz negative Auswirkungen auf ihr Selbstwertgefühl hat, und 74 Prozent sprachen von negativen Folgen für ihr tägliches Leben.
Scham, Sorge und Unsicherheit prägen den Alltag der Betroffenen, deshalb ziehen sie sich häufig aus dem gesellschaftlichen Leben zurück, vereinsamen oder werden depressiv. Dies kann vermieden werden, wenn Betroffene offener mit ihrer Erkrankung umgehen, ärztlichen Rat suchen und sich umfassend über das Leben mit Inkontinenz informieren.
Inkontinenz und Demenz
Im Verlauf einer demenziellen Erkrankung entwickeln viele Patienten eine Inkontinenz. Nach fünf Erkrankungsjahren ist jeder zweite demenziell Erkrankte davon betroffen, nach acht Jahren sogar vier von fünf. In den ersten Phasen der Krankheit ist der Gedächtnisverlust oft die Ursache der Inkontinenz, die Betroffenen vergessen den Gang zur Toilette, finden nicht rechtzeitig den Weg dorthin oder erkennen das WC nicht mehr.
Im weiteren Krankheitsverlauf nehmen Menschen mit Demenz den Harndrang oft noch wahr, doch aufgrund der Abbauprozesse im Gehirn kann die Blase nicht mehr kontrolliert werden. Anders als bei gesunden Menschen ist das Grosshirn dann nicht mehr in der Lage, den Reflex des Harndrangs eine zeitlang zu unterdrücken. Die Betroffenen erleben den Drang so zwingend, dass sie einnässen. Bei fortgeschrittener Demenz kommt es neben der Harninkontinenz oft auch zur Stuhlinkontinenz.
Bei der häuslichen Betreuung von Menschen mit Demenz ist Inkontinenz der häufigste Grund für die Einweisung in ein Pflegeheim. Sowohl für die Betroffenen als auch für die Betreuenden ist der Umgang mit Inkontinenz oft sehr belastend und beschämend. Es gibt jedoch viele Tipps und Hilfsmittel, die helfen, Stress zu vermeiden und Spannungen abzubauen.
Verliert der Demenzerkrankte ungewollt Urin oder Stuhl, gilt es für die Betreuenden als Erstes, Ruhe zu bewahren und nicht mit Ärger oder Schuldzuweisungen zu reagieren. Mit einfachen Massnahmen lässt sich der selbstständigen Gang zur Toilette auch fördern, zum Beispiel:
- den Betroffenen einfühlsam an den Toilettengang erinnern, etwa beim Aufstehen oder vor dem Schlafengehen
- Hindernisse zur Toilette aus dem Weg räumen
- die Toilettentür mit Bildern oder Zeichen kennzeichnen und nachts offen lassen
- für gute Beleuchtung in der Toilette und auf dem Weg dorthin sorgen
- Toilettensitzerhöhung und Haltegriffe anbringen
- auf lockere Kleidung mit einfachen Verschlüssen achten
- auf Signale wie unruhiges Sitzen oder Zupfen an den Kleidern achten
Die Konfrontation mit Körperausscheidungen und deren Gerüchen ist unangenehm und mit Ekel oder Selbstekel verbunden. Die Betroffenen empfinden ihre Inkontinenz oft als ein Stigma der Unsauberkeit und des Kontrollverlusts, das sie auf die Entwicklungsstufe eines Kleinkinds zurückwirft. Den pflegenden Angehörigen mit einer engen Beziehung zu den Erkrankten ist es peinlich, in deren Intimbereich eingreifen zu müssen.
Oft fällt es ihnen auch nicht leicht, ihren Ekel zu unterdrücken. Verständlicherweise, denn Ekel ist ein universelles Gefühl, das jeder Mensch empfindet und dem sich nur mit Mühe entrinnen lässt. Ekel ist eng verbunden mit körperlichen Ausscheidungen und eine evolutionsbedingte Schutzreaktion zum Erhalt der Gesundheit. Für Pflegende ist es deshalb hilfreich, sich diesen natürlichen Reflex einzugestehen und Strategien für den Umgang mit Ekel und Scham zu kennen.
Links und Literatur
➔ Hier geht es zum Infoblatt «Inkontinenz und Darmerkrankungen» von Alzheimer Schweiz
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