Empathie
Einfühlungsvermögen schafft Nähe und Verständnis. Sie trägt zum Wohlbefinden des Gegenübers bei – besonders bei Menschen mit Demenz.
Der Begriff Empathie geht auf das altgriechische Wort «empàtheia» zurück und wird mit «leidenschaftliche Einfühlung» oder auch «mit-leiden» übersetzt. Empathie bedeutet aber eher Mitfühlen als Mitleiden. Mitleid als Reaktion auf die Not eines anderen ist passiv und oft mit Unbehagen verbunden. Mitfühlen hingegen ist ein einfühlendes Verstehen, das dem anderen auf Augenhöhe und mit Wohlwollen begegnet.
Eine verbindliche Definition für Empathie gibt es nicht. Im Allgemeinen wird damit die Fähigkeit und die Bereitschaft bezeichnet, Empfindungen, Gedanken, Motive und Persönlichkeitsmerkmale eines anderen Menschen zu erkennen, zu verstehen und nachzuempfinden.
Die Wissenschaft unterscheidet zwischen kognitiver und emotionaler Empathie. Kognitive Empathie ist analytisch, sie lässt uns erkennen, was der andere fühlt. Emotionale Empathie hingegen ist affektiv, sie lässt uns fühlen, was der andere fühlt. Die beiden Formen der Empathie lassen sich in der Praxis aber nicht klar abgrenzen, vielmehr sind es zwei sich ergänzende Möglichkeiten, die Gefühlswelt eines Menschen zu durchdringen.
Einfühlendes Verstehen im Sinne der affektiven Empathie ist über eine Art emotionales Mitschwingen möglich, bei dem die Gefühle des Anderen nachempfunden werden, als wären sie die eigenen. Empathischer Kontakt lässt sich auch durch die gedankliche Aufmerksamkeit gegenüber den Äusserungen des Gegenübers, seinem Gesichtsausdruck und seiner Körperhaltung herstellen.
Darüber hinaus geht es bei der empathischen Kontaktaufnahme nicht nur darum, die Gefühle und Bedürfnisse des anderen nachzuvollziehen, sondern sich in seine gesamte Lebenssituation hineinzuversetzen, kurz: die Welt mit den Augen des anderen zu sehen. Oder wie es Naomi Feil, Entwicklerin der Validations-Methode, sagt: «In den Schuhen des anderen gehen.»
➔ Ausführliche Informationen zum Begriff Empathie gibt es hier
So entsteht Empathie
Grundsätzlich hat jeder Mensch die Gabe zur Empathie. Zum einen gehört Empathie zur genetischen Grundausstattung des Menschen, der diese Fähigkeit evolutionär als Überlebensvorteil eines Gruppenlebewesens ausgebildet hat. Zum anderen zeigen neuere Forschungen, dass Gene bei der Entstehung von Empathie weniger Einfluss haben als die Sozialisation, die Erziehung und die Erfahrung des Einzelnen.
Eine wichtige Rolle beim Aufbau einer empathischen Beziehung spielt die Selbstwahrnehmung: Erst wenn man sich selbst gut versteht und offen für die eigenen Emotionen ist, kann man auch die Gefühle anderer deuten und in Resonanz dazu gehen.
Eine weitere Voraussetzung für empathische Kommunikation ist die Wertschätzung des Gegenübers – ihn in seiner Individualität wahrzunehmen und seine Realität zu akzeptieren. Dieser Perspektivenwechsel birgt aber auch die Gefahr, sich zu stark mit den Emotionen des anderen zu identifizieren und den Blick für die Gesamtsituation zu verlieren. Die Folgen sind Überforderung, Abwehr der anderen Person und Aggression.
Die notwendige Abgrenzung gelingt, wenn man sich gewahr macht, dass die eigenen empathisch empfundenen Emotionen ihren Ursprung beim Anderen haben. Die Psychologie spricht dabei von der Selbst-Andere-Differenzierung.
Sofern diese aufrechterhalten bleibt, kann der empathische Drahtseilakt zwischen Nähe und Distanz gelingen. Besonders in der Medizin und der Pflege ist diese Form der distanzierten Empathie – auch Detached Concern genannt – im Umgang mit den Patienten zwingend, alles andere wäre unprofessionell und nicht zielführend.
Empathie und Demenz
Menschen mit Demenz sind auf empathische Verständigungsformen angewiesen, da ihnen im Krankheitsverlauf die Sprache und die rationale Urteilsfähigkeit verloren gehen. Die Gerontologin Naomi Feil hat dafür die Methode der Validation entwickelt, die dazu auffordert, das Verhalten und die Äusserungen von Menschen mit Demenz wertzuschätzen und einfühlsam darauf einzugehen.
Die empathische Kommunikation mit Menschen mit Demenz respektiert dessen «Wahrheit», versetzt sich in die Welt des Erkrankten hinein und nimmt an seinen Gefühlen und Gedanken teil.
Im Kontakt mit dem an Demenz Erkrankten geht es darum, seine aktuelle Gemütslage zu erspüren und sich darauf einzustellen: die Stimmung, die Artikulation und die Lautstärke, ebenso Körperhaltung, Atemrhythmus und Mimik. Blickkontakt ist unverzichtbar, das Gespräch ist zugewandt und lässt dem Gegenüber Zeit zu signalisieren, was er möchte.
In späteren Phasen der Demenz steht oft die nonverbale Kommunikation durch Nähe und Berührung im Vordergrund. Auf diese Weise kann die empathische Beziehung zu dem Erkrankten hergestellt werden, obwohl er kaum noch spricht.
Links und Literatur
➔ Stefanie Becker, Ratgeber Demenz: Den Alltag mit Betroffenen positiv gestalten, Alzheimer Schweiz
➔ Bettina Lampert: Detached Concern. Eine emotionsregulierende Bewältigungsstrategie in der Altenpflege, Pabst Science Publishers, 2011
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