Einsamkeit
Einsame Menschen sind anfälliger auf körperliche und geistige Krankheiten. Oft isolieren sich Menschen mit Demenz aus Angst und Scham selbst.
Für Einsamkeit gibt es keine wissenschaftlich verbindliche Definition oder Diagnose. Im Sprachgebrauch wird damit das subjektive Gefühl bezeichnet, nicht genug oder zu wenig befriedigende soziale Beziehungen und Kontakte zu haben.
Psychologen unterscheiden zwischen der emotionalen Einsamkeit, bei der es um einen Mangel an engen, intimen Beziehungen geht, und der sozialen Einsamkeit, die sich auf fehlende Freundschaften und andere Kontakte bezieht. Einsamkeit muss aber nicht zwingend als negativ empfunden werden.
Viele Menschen suchen sie bewusst und sind gerne allein, etwa um zur Ruhe zu kommen oder klarer denken zu können. Oft wird Einsamkeit indes als bedrückend empfunden, besonders wenn sie aufgrund einer Krankheit eintritt oder das soziale Netz eines Menschen plötzlich zusammenbricht.
➔ Hier geht es zu einer umfassenden Beschreibung von Einsamkeit aus psychologischer Sicht
Risiken und Nebenwirkungen der Einsamkeit
Medizinisch betrachtet gilt Einsamkeit nicht als Krankheit. Gesichert ist, dass sie den Gesundheitszustand negativ beeinflussen kann: Im Vergleich zu sozial gut eingebundenen Menschen schlafen einsame schlechter, ernähren sich ungesünder, konsumieren mehr Alkohol und Nikotin und bewegen sich weniger.
Ausserdem leiden sie häufiger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, haben ein schwächeres Immunsystem, denken öfter an Suizid, erkranken häufiger an Demenz und haben eine geringere Lebenserwartung. Ein Grund dafür ist, dass längere Einsamkeit evolutionsbedingt zu permanentem Stress führen kann.
Die Menschen haben sich stammesgeschichtlich nicht als Einzelgänger entwickelt, sondern in überschaubaren sozialen Gemeinschaften. Verlor der Einzelne den Kontakt zu diesem Umfeld, sanken seine Überlebenschancen stark. Deshalb empfinden viele Menschen in sozialer Isolation bis heute Angst, Niedergeschlagenheit und mitunter auch körperliche Schmerzen.
Ein anderer Grund für das einsamkeitsbedingte Krankheitsrisiko ist, dass ein gutes soziales Umfeld dieses Risiko ganz praktisch verringern kann. Partner, Freunde oder Verwandte achten oft darauf, wie es jemandem geht, sie unterstützen ihn emotional und raten ihm zu Arztbesuchen oder zu einem gesünderen Lebensstil.
Risikogruppen
Prinzipiell können Menschen in allen Lebensphasen unter Einsamkeit leiden. Im Alter steigt allerdings das Risiko für soziale Isolation, etwa wenn der Partner oder Freunde versterben oder wenn soziale Aktivitäten wegen körperlichen Beschwerden eingestellt werden müssen. Der Deutsche Alterssurvey 2017 hat dazu festgestellt, dass sich nur sehr wenige Menschen im mittleren oder höheren Alter einsam fühlen.
Allerdings kommt es in sehr hohem Alter, also bei Menschen über 80 Jahren, zu einem Anstieg der Einsamkeit, besonders dann, wenn Probleme wie Schicksalsschläge, Erkrankungen, abnehmende körperliche Beweglichkeit, mangelnde Mobilitätsangebote oder Altersarmut dazukommen.
Die Zusammenhänge zwischen sozialer Isolation und demenziellen Erkrankungen sind noch nicht endgültig geklärt. Vieles spricht aber dafür, dass Einsamkeit das Risiko dafür erhöht. Als erwiesen gilt, dass häufige soziale Aktivitäten im mittleren und höheren Alter geistig fit halten. Vor allem bilden sich damit geistige Reserven aus, welche die Krankheit zwar nicht verhindern, die Symptome einer Demenz aber verzögern können.
Problematisch ist, dass sich Menschen mit beginnender Demenz oft von sich aus dem Sozialleben entziehen. Die Angst oder Scham, sich zu outen, ist gross, weil die Betroffenen befürchten, dass sie nicht mehr «für voll» genommen werden, wenn ihre Erkrankung bekannt wird.
Der 90-jährige Engländer Derek Taylor hat viele Angehörige und Freunde verloren. Er unternahm mit Erfolg etwas gegen seine Einsamkeit. Dies sind seine Tipps an einsame Menschen:
- Unternimm etwas, um neue Freunde zu finden
- Werde Mitglied in einem Verein
- Besuche das Gemeindehaus und informiere dich über die Angebote
- Lerne den Computer in der Bibliothek zu benutzen
- Nimm die Angebote des lokalen Sozialdienstes und des Quartiervereins in Anspruch
- Denk über einen Untermieter in deiner Wohnung nach
- Greife öfter zum Telefon und melde dich bei deinen Bekannten
- Suche den Kontakt zu Verwandten und Freunden, mit denen du lange nicht gesprochen hast
- Freunde dich mit deinen Nachbarn an
- Arbeite ehrenamtlich, wenn du dazu in der Lage bist
Auch die Angst vor Fehlleistungen kann sie daran hindern, aus dem Haus zu gehen. Dadurch geraten die Betroffenen in einen Teufelskreis, weil fehlende Sozialkontakte den geistigen Abbau schneller voranschreiten lassen, was wiederum zu grösserer Vereinsamung führt. Diese Einsamkeitsfalle kann nur durchbrochen werden, wenn sich Menschen mit Demenz offen zu ihrer Erkrankung bekennen.
Nur dann können sie so lange wie möglich selbstbestimmt handeln und selbstständig leben – eingebettet in ein gut organisiertes soziales Netzwerk, das sie bei ihrer gesellschaftlichen Teilhabe unterstützt.
Literaturtipps
➔ Gerald Hüther, Raus aus der Demenzfalle, Arkana. 2017
➔ Manfred Spitzer, Einsamkeit. Die unerkannte Krankheit, Droemer, 2018
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