Autofahren
Menschen mit fortgeschrittener Demenz gefährden im Strassenverkehr sich und andere. Es gibt aber keine klaren Kriterien, wann es Zeit ist, den Autoschlüssel abzugeben.
Im Alter müssen Autofahrer mit einem Nachlassen ihrer Fähigkeiten rechnen. Die Reaktionszeit verlängert sich, Reize werden langsamer verarbeitet, die Beweglichkeit lässt nach, beispielsweise beim Blick über die Schulter. Im Einzelfall gibt es allerdings grosse Differenzen. Auch Neunzigjährige können fitte, aufmerksame Autofahrer sein. Laut dem Verkehrsmedizinischen Competenz-Centrum VmCC gibt es keine Erhebung darüber, wie viele diagnostizierte Menschen mit Demenz noch Auto fahren. Es gibt auch keine Statistik darüber, wie und wann das Unfallrisiko bei ihnen im Vergleich zu kognitiv Gesunden ansteigt.
Wie die Aufmerksamkeit nachlässt durch Demenz
Demenzkranken Menschen fällt es schwer, akustische und optische Signale gleichzeitig zu verarbeiten. Die Routine bleibt zunächst erhalten. Lenken, Kuppeln und Schalten, Bremsen und Gasgeben funktioniert weiterhin. Doch mit zunehmender Erkrankung lässt die Aufmerksamkeit nach, die Reaktionszeiten verlängern sich.
Unerwartete Situationen, die im Strassenverkehr jederzeit passieren können, erfordern ein schnelles und konzentriertes Handeln, das Menschen mit Demenz überfordern kann. Erst recht, wenn sie sich in ungewohnter Umgebung bewegen. Deshalb sollten sich Erkrankte schon im frühen Stadium selbstkritisch mit ihrer Fahrtüchtigkeit beschäftigten.
Riskant wird das Autofahren, wenn Menschen mit Demenz…
- in Tempo-30-Zonen zu schnell und auf Schnellstrassen zu langsam fahren
- die Fahrspur nicht korrekt halten
- Verkehrszeichen falsch deuten
- zu dicht auffahren
- sich selbst unter hohen Druck setzen
- totale Aussetzer erleiden
- Bedienfehler machen (Pedale verwechseln)
- in schwierigen Situationen aggressiv werden
- das Blinklicht nicht mehr benutzen, weil »es die anderen nichts angeht, wo ich hinfahre«
Je früher sich Betroffene und ihre Angehörigen mit diesen Risiken auseinandersetzen, umso mehr Zeit bleibt, sich selbstbestimmt auf ein Leben ohne Autofahren einzurichten und gemeinsam nach Alternativen Ausschau zu halten. Wichtig ist für Menschen mit Demenz, auch ohne Auto mobil zu bleiben und am sozialen Miteinander in der Familie und im Ort teilzuhaben.
Warum Menschen mit Demenz oft die Einsicht fehlt
Menschen mit Demenz überschätzen manchmal ihre Fahrfähigkeiten und möchten ihre Unabhängigkeit nicht aufgeben. Für Angehörige ist schon das Ansprechen des Themas heikel und belastend. Wenn die Einsicht beim Erkrankten fehlt, können Angehörige beispielsweise den Hausarzt um Unterstützung bitten.
Wichtig ist auch die frühzeitige Aufklärung durch einen Facharzt, beispielsweise einen Neurologen, über die Problematik des Autofahrens. Demenzpatienten können sich auf diese Weise rechtzeitig darauf einstellen, dass sie mittelfristig damit rechnen müssen, das Fahren aufzugeben. Hilfreich ist, wenn der Verzicht auf das Auto nicht ausschliesslich als Verlust begriffen wird, sondern sich für den Erkrankten dadurch auch erkennbare Vorteile ergeben, beispielsweise eine Kostenersparnis, weniger Stress oder einen Beitrag zum Umweltschutz.
Was das Gesetz über Autofahren mit Demenz sagt
In vielen europäischen Ländern wie Niederlande, Italien, Luxemburg, Schweiz oder auch Irland werden ältere Menschen in einem Rhythmus zwischen einem und fünf Jahren ärztlich auf ihre Fahrtauglichkeit untersucht. In Deutschland und Österreich nicht. Wer den Führerschein hat, ist selbst verantwortlich.
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gibt an, dass keine Fahrtauglichkeit mehr besteht, wenn die Demenz fortgeschritten ist und zu Unruhe, Agressivität oder Angst führt. Die Strassenverkehrsbehörde kann in gravierenden Fällen eine Untersuchung durch einen Psychiater oder Neurologen veranlassen. Doch das Fahrverbot amtlich zu verordnen, ist eine Kränkung.
In der Schweiz gilt seit 2019, dass sich alle über 75-jährigen Autofahrer alle zwei Jahre ärztlich überprüfen lassen müssen. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft empfiehlt, bei beginnender Demenz die Anforderungen zu verringern: Fahrten bei Nacht, Schnee oder Regen vermeiden. Und bei Unsicherheit die Fahrtüchtigkeit von einem Fahrlehrer bewerten lassen. Der ADAC bietet einen Fahrfitness-Check und Fahrsicherheitstraining für ältere Autofahrer an.
Kann ich noch Autofahren? Der Test zur Selbsteinschätzung
- Fällt mir das Fahren in der Dämmerung oder bei Nacht schwer und blenden mich entgegenkommende Fahrzeuge?
- Gab es in letzter Zeit nicht erklärbare Unfälle oder Beinahe-Unfälle?
- Verfahre ich mich öfter?
- Strengt mich das Autofahren mehr an?
- Hat mich jemand auf meinen Fahrstil angesprochen oder fahren andere nicht mehr gerne mit mir mit?
- Fühle ich mich in fremder Umgebung unsicher?
- Fällt es mir schwer, die Geschwindigkeit anderer Autos richtig einzuschätzen?
- Reagiere ich langsamer?
- Bin ich unsicher beim Einbiegen auf eine Haupverkehrsstraße ohne Ampel?
- Bin ich öfter müde, auch am Steuer?
- Hupen mich andere öfter an?
Quelle: Kompetenzzentrum Demenz Schleswig Holstein
Fast alle Menschen mit Demenz geben das Autofahren innerhalb der ersten drei Jahre nach der Diagnose auf. Bei der Frontotemporalen Demenz mit mangelnder Impulskontrolle kommt es schon früh zu einer Fahruntauglichkeit. Bei Lewy-Body-Demenz ebenfalls, weil visuelle Halluzinationen häufige frühe Anzeichen sind.
Links und Literatur zu Autofahren mit Demenz
> Wendy Stav, Autofahren und kommunale Mobilität für ältere Menschen, Hogrefe, 2019
> Informationsblatt «Autofahren und Demenz» von Alzheimer Schweiz
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