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Berührung

Berührungen verbinden, fördern das Glück und spenden Trost. Für Menschen mit Demenz sind sie ein wichtiges Stimulations- und Kommunikationsmittel.

Der Tastsinn ist der einzige Sinn, der immer aktiv ist. Er ist auch der erste Sinn im Leben eines Menschen: Sieben bis acht Wochen nach der Zeugung entwickelt er sich im Embryo, der zu dieser Zeit nur zwei Zentimeter gross ist. Der Tastsinn ist in der Regel auch der letzte Sinn, der einem sterbenden Menschen bleibt. Untersuchungen der Gehirnaktivität ergaben, dass auch Komapatienten Berührungen wahrnehmen.

Das Sinnesorgan «Haut» ist mit knapp zwei Quadratmetern das grösste Organ des Menschen. Die Sinneszellen und Nervenenden befinden sich unterschiedlich tief in den Hautschichten. Es gibt solche, die auf feinste Berührungen reagieren. Andere sprechen auf grossflächigen Druck oder Wärme und Kälte an. Die Nervenenden an den Haarwurzeln melden Erschütterungen. Je nach Körperregion sind die Wahrnehmungen unterschiedlich stark. Besonders ausgeprägt ist der Tastsinn an den Handflächen und Fusssohlen.

Die taktile Wahrnehmung (passiv) liefert uns Informationen zu Druck, Berührung, Schmerz, Vibration, Luftzug und Temperatur. Haptische Wahrnehmungen (aktiv) machen wir, wenn wir unsere Umgebung erkunden. Die gewonnenen Informationen gelangen durch Nervenfasern über das Rückenmark ins Gehirn. Dort lösen sie verschiedene Reaktionen aus wie Bewegung, Ausschüttung von Hormonen, Sympathie/Antipathie. 

Im Zusammenhang mit Betreuung und Pflege sind vor allem die in den 1990er-Jahren entdeckten C-taktilen Fasern von Bedeutung. Sie empfinden sanfte Berührungen und leiten diese Informationen relativ langsam weiter. Das Gehirn verarbeitet diese Informationen, indem es eigene Erwartungen und das Umfeld abwägt. 

Warum Sympathie bei Berührungen wichtig ist

Je nach Person oder Tier, mit der/dem wir in Kontakt sind, stufen wir die Berührung ein. Wenn wir sie als angenehm empfinden, gehen wir näher und streben weitere Berührungen an. Ist sie für uns unangenehm, gehen wir auf Distanz und senden weitere ablehnende Signale der Körpersprache aus.

Bei angenehmen Berührungen schüttet das Hirn das Hormon Oxytocin (auch Glücks- oder Kuschelhormon genannt) aus. Dieses spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Pflege von Beziehungen. Viel Oxytocin bildet sich im Körper einer stillenden Frau; es legt damit den Grundstein zur starken Beziehung zwischen Mutter und Kind. 

Bei Studien an Schimpansen hat man festgestellt, wie die gegenseitige Fellpflege nicht nur Hygiene und Gesundheit fördert, sondern auch Bindungen. Nach einer Trennung finden sich stets jene Affen zum »Lausen« zusammen, die eine besonders enge Beziehung haben. In der Evolutionsgeschichte spielen demnach Berührungen und das Hormon Oxytocin eine sehr wichtige Rolle, weil der Mensch nur in einer starken Gruppe, über Beziehungen und soziales Verhalten an die Spitze der Nahrungskette gelangen konnte. »Fünf Sekunden Umarmung sind ein biologisches Feuerwerk«, sagt Martin Grunwald, Leiter des Haptik Forschungslabors in Leipzig.

Quelle YourDokuChannel/YouTube

Was Berührungen bewirken können

Berührungen…

  • schaffen Verbundenheit und stärken Allianzen
  • bestätigen Freundschaften
  • lösen Glücksgefühle aus
  • wirken gegen Ängste und schaffen Geborgenheit
  • ssenken die Pulsfrequenz und entspannen die Muskeln
  • reduzieren das Stresshormon Cortisol
  • stärken das Immunsystem
  • beschleunigen die Genesung

Offenbar kommen Berührungen in der westlichen Welt zu kurz. Studien haben ergeben, dass 70 Prozent der Bevölkerung unter »touch hunger« leiden und sich mehr Berührungen wünschen. Dazu beigetragen haben die Digitalisierung und Anonymisierung unserer Gesellschaft.

Warum Berührungen wichtig sind für Menschen mit Demenz

Angesichts all dieser Erkenntnisse leuchtet es ein, dass Berührungen im Umgang mit Menschen mit Demenz eine grosse Bedeutung haben. Im frühen Stadium der Krankheit leiden viele Betroffene unter Ängsten und Depressionen. Umso wichtiger ist der emotionale und körperliche Beistand nahestehender Menschen. Eine Umarmung der Partnerin, das Händehalten durch den Sohn, aber auch das Kuscheln mit einem geliebten Haustier spenden in dieser schwierigen Zeit Trost und Sicherheit.

Wenn im Verlauf der Krankheit die Kommunikation eingeschränkt wird, können wir über Körpersprache und Berührungen die Beziehung pflegen und Empathie ausdrücken. Weil viele Betroffene mit zunehmender Demenz auch starke Ängste vor dem Alleinsein haben, sind Berührungen auch in dieser Hinsicht ein wichtiges Signal: Du bist nicht allein, ich bin dir nahe! Dabei gilt es immer zu beachten, wie das Gegenüber reagiert. 

Quelle demenzjournal Marcus May/YouTube

Warum die «Chemie» stimmen muss

Manche Menschen mögen körperliche Nähe mehr als andere. Und manchmal stimmt einfach die «Chemie» zwischen zwei Menschen nicht. Während ein Mensch mit Demenz auf die Berührungen der einen Pflegeperson sehr positiv reagiert, kann er die Berührungen einer anderen ablehnen. Berührung hat also auch eine ethische Komponente, die es zu beachten gilt. Dieses Lernvideo zeigt auf, wie Berührung gelingen oder eben nicht gelingen kann:

Menschen mit schwerer Demenz verlieren zunehmend den Kontakt zur Umwelt und zu ihrem eigenen Körper. Auch hier gilt es: Genau hinschauen und abwägen, was der Betroffene mag und was er nicht mag. Die Basale Stimulation mit ihrem grossen Repertoire an Berührungen und Sinnesreizungen kann eine wichtige Stütze sein in der Pflege von Menschen mit schwerer Demenz. Hier geht’s zum demenzwiki-Beitrag über die Basale Stimulation:

Basale Stimulation

Mit der Basalen Stimulation erreichen wir Menschen, deren Bewegungsfähigkeit, Wahrnehmung und Kommunikation beeinträchtigt sind. Basale Stimulation regt Menschen mit Demenz … weiterlesen

> Luke J. Tanner, Berührungen und Beziehungen bei Menschen mit Demenz, Hogrefe

> Andreas Fröhlich, Basale Stimulation in der Pflege – Arbeitsbuch, Hogrefe, 2016

> Hier geht’s zum Internationalen Förderverein Basale Stimulation e.V.

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Den Emotionen auf der Spur

Kein Gespräch, kein Lachen, kein Nicken, kein Blickkontakt. Demenzbetroffene mit Apathie reagieren kaum auf äussere Reize. Doch empfinden sie tatsächlich … weiterlesen

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