Haltung
Die achtsame und wertschätzende Haltung der Betreuenden ist zentral beim Umgang mit Menschen mit Demenz. Sie ist ein innerer Kompass, der auf den Menschen und nicht auf die Krankheit gerichtet ist. Mit einer solchen Haltung kann eine Beziehung entstehen, die beide als positiv erleben.
Laut Duden wird mit Haltung eine grundsätzliche innere Einstellung bezeichnet, die das Denken, Verhalten und Auftreten eines Menschen prägt. Ähnliche Bedeutung haben die Begriffe Geisteshaltung, Grundhaltung, Grundeinstellung, Gesinnung, Mentalität, Grundauffassung und Sinnesweise. Mit der Haltung einer Person sind bestimmte Wertvorstellungen und moralische Prinzipien verbunden.
Die Grundhaltung eines Menschen formt sich durch die Erziehung, das kulturelle Umfeld und Erfahrungen, vor allem Beziehungserfahrungen. Sie bildet das handlungsleitende Fundament der Persönlichkeit und gibt die nötige Orientierung, um gegenüber Menschen oder Situationen im Privat- und Arbeitsleben Entscheidungen treffen zu können.
Personzentrierte Haltung und Arbeit
Bei der Arbeit mit Menschen, die Betreuung brauchen, spielt die personzentrierte Haltung eine wichtige Rolle. Das Konzept zur Umsetzung dieser Haltung stammt ursprünglich aus der Psychologie und wurde vor allem von der Schweizer Psychologin und Psychotherapeutin Marlis Pörtner auf die Arbeit mit Menschen mit Behinderung übertragen.
Personzentriert arbeiten bedeutet demnach, den Menschen in seiner Eigenart ernst zu nehmen, seine Ausdrucksweise zu verstehen und ihn dabei zu unterstützen, im Rahmen seiner Möglichkeiten eigene Wege zum Umgang mit der Realität zu finden, kurz: die Ressourcen eines Menschen wahrzunehmen und zu fördern.
Grundlage für die personzentrierte Arbeit ist das humanistische Menschenbild, das in jedem Menschen eine eigenständige, wertvolle Persönlichkeit sieht, die grundsätzlich auf Wachstum und Entwicklung ausgerichtet ist. Zur personzentrierten Arbeit gehören Empathie im Sinne des einfühlenden Verstehens, Wertschätzung des Gegenübers als Person, so wie sie gerade ist, und Authentizität in der Begegnung mit ihr.
➔ Hier geht’s zu einem Betrag, der die Grundsätze der personenzentrierten Arbeit erläutert
Personzentrierte und wertschätzende Haltung im Umgang mit Menschen mit Demenz
Im Mittelpunkt der personzentrierten und wertschätzenden Arbeit, also der Beziehung der Betreuenden zu den Menschen mit Demenz, steht nicht die Krankheit, sondern der Mensch selbst. Ziel ist, die Persönlichkeit der Menschen mit Demenz wahrzunehmen, ihnen das Gefühl zu vermitteln, etwas wert zu sein, etwas bewirken zu können und dazu zu gehören.
Die «personzentrierte Pflege» von Menschen mit Demenz geht auf den britischen Sozialpsychologen und Psychogerontologen Tom Kitwood zurück. Er entwickelte zwischen 1987 und 1995 ein neues Konzept zur Demenzpflege, das sich an der Klientenzentrierten Psychotherapie des amerikanischen Psychologen Carl R. Rogers orientiert.
➔ Hier geht’s zum Buch «Dement aber nicht bescheuert» von Michael Schmieder und Uschi Entenmann
Ausschlaggebend war Kitwoods Kritik an der seinerzeit gültigen Grundeinstellung, die die medizinische Sicht der Demenzerkrankung in den Vordergrund stellte und davon ausging, dass der Krankheitsverlauf kaum zu beeinflussen ist.
Dementsprechend hatte die Pflege rein palliativen Charakter und war bei den Pflegenden oft mit Gefühlen der Ohnmacht und der Resignation verbunden. Alternativ dazu etablierte Kitwood ein neues Paradigma, das die Person und das Erleben der Menschen mit Demenz ins Zentrum stellt.
➔ Hier geht’s zu Büchern über Tom Kitwood personzentrierte Betreuung und Pflege
Die personenzentrierte Demenzpflege fokussiert auf das Wohlbefinden des Menschen mit Demenz, die Wertschätzung seiner Person und die Herstellung einer gelingenden Beziehung zu ihm. Unter dieser Voraussetzung kann die Betreuung von Menschen mit Demenz als sehr konstruktiv und erfüllend empfunden werden und für beide Seiten ein positives Erlebnis sein. Kitwoods neues Pflegeparadigma hat den Umgang mit demenzerkrankten Menschen entscheidend verändert und Eingang in die Ausbildung des Pflegepersonals gefunden.
Für eine wertschätzende Grundhaltung sind auch das Demenz-Zentrum Sonnweid und sein ehemaliger Leiter Michael Schmieder bekannt geworden:
Tipps zum wertschätzenden Umgang mit Menschen mit Demenz
- Lassen Sie sich auf die Realität und Wahrnehmungen von Menschen mit Demenz ein. Korrigieren Sie die Betroffene nicht, wenn sie eine andere Wahrnehmung hat, sondern gehen Sie darauf ein (siehe auch Validation). Sagen Sie auch nicht Sätze wie «Du musst nicht traurig sein», sondern gehen Sie auf die Trauer ein.
- Bewegen Sie sich psychisch und physisch auf Augenhöhe.
- Seien Sie empathisch und versetzen sie sich in die Lage der Betroffenen: Sie ist krank und erleidet viele Verluste, möglicherweise empfindet sie Gefühle wie Angst und Trauer.
- Menschen mit Demenz sind erwachsen, behandeln Sie sie nicht wie Kinder.
- Benutzen Sie eine einfache, eindeutige und wertschätzende Sprache.
- Kommunizieren Sie positiv, auch nonverbal.
- Fördern Sie soziale Kontakte, reden Sie in Anwesenheit von anderen Personen nicht über die Betroffene, sondern mit ihr.
➔ Hier finden Sie ausführlichere Tipps zum Umgang mit Menschen mit Demenz
Ist Haltung lernbar?
Entsprechend dem humanistischen Bildungsverständnis, dass der Mensch lebenslang lernfähig ist, lässt sich auch die Haltung eines Menschen modifizieren. Zwar hat jeder Mensch seine eigene, durch Erfahrungen im Leben geprägte Einstellung.
Doch durch die Reflexion mit sich selbst und anderen kann diese Prägung, die meist im Unbewussten wirkt, neu verhandelt und weiterentwickelt werden. Entsprechende Bildungsangebote helfen, andere Sichtweisen zu verstehen und die eigenen zu erweitern.
Damit kann auch die wertschätzende, respektvolle und personenzentrierte Haltung unterstützt und vertieft werden, die bei der Betreuung von Menschen mit Demenz letztlich viel wichtiger ist als Zeugnisnoten und Diplome.
Links und Literatur
➔ Hier geht’s zur Publikation (pdf) «Leben mit Demenz» von Alzheimer Schweiz
➔ Thomas Klie, Recht auf Demenz – Ein Plädoyer, Hirzel, 2021
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