Frontotemporale Demenz
Bei einer Frontotemporalen Demenz (FTD) sterben Nervenzellen im vorderen Bereich des Gehirns ab. Weil hier das Sozialverhalten kontrolliert wird, löst FTD starke Veränderungen der Persönlichkeit aus.
Der tschechische Psychologe und Neurologe Arnold Pick bemerkte 1892 bei einer Obduktion einen Gewebeschwund im Bereich der Stirn- und Schläfengehirnlappen und stufte als erster den Fund als besondere Krankheit ein.
Alois Alzheimer beschrieb 1911 Einschlusskörperchen im Gehirn, welche die einzigen unter dem Mikroskop zu erkennenden Merkmale der Krankheit sind.
Als man in den 1920er Jahren weitere Fälle beobachtete, wurden diese nach ihrem Erstentdecker als Picksche Krankheit oder Morbus Pick bezeichnet. Die charakteristischen Einschlusskörperchen werden demnach auch als Pick-Körper bezeichnet.
Heute leidet etwa jeder zehnte Mensch mit Demenz an Frontotemporaler Demenz (FTD). Sie ist damit nach Alzheimer und Vaskulärer Demenz die dritthäufigste Form von Demenz.
Was sind die Symptome von FTD?
FTD-Erkrankte fallen üblicherweise zunächst durch eine Änderung der Persönlichkeit und des Verhaltens gegenüber anderen Menschen auf. Die Betroffenen wirken oft passiv, sind teilnahm- und antriebslos, wirken im Gespräch gleichgültig und vernachlässigen ihre Körperpflege.
Typisch sind auch Veränderungen des Hunger- und Sättigungsgefühls, Enthemmungsphänomene wie Esssucht, der Verlust von Verhaltensregeln wie Tischmanieren, Witzelsucht, sexuell anzügliche Handlungen und eine hohe Reizbarkeit bis hin zu Aggressivität.
Die Diagnose der FTD kann schwierig zu stellen sein, weil das Krankheitsbild zunächst an psychische Störungen wie Depression, Burn-out, Schizophrenie oder Manie erinnert. Die Erkrankten sind sich, anders als bei Alzheimer, auch auf Nachfrage nicht über ihre Symptome im Klaren und können sich sprachlich meist gut ausdrücken. Im Verlauf werden die Symptome aber meist so schwerwiegend, dass eine eindeutige Diagnose möglich wird.
Eine zweifelsfreie Feststellung der Krankheit ist indes erst nach dem Tod durch eine Obduktion und Untersuchung des Hirngewebes möglich. Folgende Symptome können bei FTD auftreten:
- Sozialverhalten: Aggressives Verhalten, Teilnahmelosigkeit, Taktlosigkeit, Veränderte Verhaltensweisen, Sexuelle Enthemmung
- Lebensstil: Masslose Ernährung, Schlafstörungen, keine Akzeptanz der Erkrankung, Vernachlässigung der Körperpflege
- Körper: Sprachstörungen, neurologische Symptome, Inkontinenz, Bettlägerigkeit
Wie verläuft eine FTD?
Die Frontotemporale Demenz beeinträchtigt das Gedächtnis und den Orientierungssinn weniger als die Alzheimer-Krankheit. Sie beginnt meist früher, zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei rund 58 Jahren, die jüngsten Patienten erkranken bereits mit etwa 20, die ältesten mit etwa 85.
Die Krankheit verläuft eher langsam. Im weiteren Verlauf kommt es zur Beeinträchtigung des Gedächtnisses, später fügen sich auch Sprach- und Orientierungsstörungen hinzu. Im Endstadium wird das Krankheitsbild von Muskelstarre (Rigor), Harn- bzw. Stuhlinkontinenz und damit einhergehender Pflegebedürftigkeit bestimmt. Die mittlere Überlebenszeit liegt bei etwa acht Jahren. Häufige Sterbeursache ist eine Lungenentzündung, weil die Anfälligkeit dafür erhöht ist und Menschen mit FTD sich oft verschlucken.
Wie geht man mit FTD um?
Derzeit lassen sich nur die Symptome von Frontotemporaler Demenz behandeln, nicht aber die Ursache, die unklar ist. Medikamente wie Antidepressiva und Antipsychotika können helfen, die Verhaltensauffälligkeiten zu mildern. Infrage kommen auch Ergotherapie, Schlafhygiene und Logopädie.
Eine frühzeitige Diagnose hilft vor allem den Angehörigen, die damit eine Erklärung für die Wesensänderungen der Erkrankten erhalten. Eine psychotherapeutische Unterstützung der Angehörigen wird im Verlauf der Krankheit in vielen Fällen nötig. In Deutschland gibt es auch viele gut organisierte Angehörigen-Gruppen.
Weger der starken Verhaltens- und Wesensveränderungen kann der Umgang mit Menschen mit FTD sehr schwierig sein. Es ist deshalb wichtig, dass Angehörige, Betreuende und Pflegende entlastet und unterstützt werden. Sie sollen Zugang haben zum nötigen Wissen, zum Beispiel über den Umgang mit Aggression und Deeskalation. Zudem sind der Erfahrungsaustausch in Angehörigengruppen oder im Team bei Betreuenden von Menschen mit FTD besonders wertvoll.
Im Jahr 2020 fand die Frontotemporale Demenz den Weg ins Kino: In «Wege des Lebens – The roads not taken» erkrankt die Hauptfigur, grossartig gespielt von Javier Bardem, mit 50 an FTD.
Links und Literatur zu FTD
> Erkundigen Sie sich bei den nationalen, regionalen oder lokalen Anlaufstelle nach Angeboten
> Hier geht’s zum Informationsblatt FTD der Deutschen Alzheimer Gesellschaft
>Hier geht’s zum Informationsblatt FTD von Alzheimer Schweiz
> Ian Andrew James u.a., Herausforderndes Verhalten bei Menschen mit Demenz, Hogrefe 2019
> Stephen Weber Long, Herausforderndes Verhalten, Hogrefe, 2021
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